Was hat es mit der Honeymoon-Phase auf sich?
Expertenantworten auf Leserfragen: Was hat es mit der Honeymoon-Phase auf sich?
Claudia Donath ist Diabetesberaterin (DDG) und Mitarbeiterin im Therapiemanagement Diabetes.
In vielen Fällen kommt es bei Typ-1-Diabetes kurz nach dem Therapiebeginn zu einer vorübergehenden Wiederaufnahme der eigenen Insulinproduktion. Dieser Effekt, über dessen Ursachen noch wenig bekannt ist, wird Honeymoon-Phase genannt. Was man wissen sollte:
Frau Donath, wie lange dauert es, bis die Honeymoon-Phase nach Therapiebeginn einsetzt?
Donath: Das ist immer ein wenig unterschiedlich. In der Regel beginnt diese vorübergehende Phase nach wenigen Tagen oder Wochen. Betroffene stellen fest, dass die Insulinmengen, die sie zu Beginn einsetzen, plötzlich zu hoch sind. Ihr Blutzuckerspiegel sinkt also nach Insulingabe zu stark ab. Da die ärztliche Kontrolle durch Behandelnde zu Therapiebeginn sehr engmaschig ist, fallen solche Veränderungen schnell auf und die Honeymoon-Phase wird erkannt.
Warum normalisiert sich die Insulinproduktion bei manchen nach Therapiebeginn?
Donath: Bei Typ-1-Diabetes zerstört das eigene Immunsystem die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Ein Autoimmunprozess läuft somit ab. In vielen Fällen – bei etwa 80 Prozent – sorgt die therapeutische Insulingabe dafür, dass die verbliebenen Zellen der Bauchspeicheldrüse, die noch nicht zerstört wurden, sich vorübergehend erholen und die Insulinproduktion sogar steigern können. Woran das liegt, ist bis heute unklar. Einige Patienten benötigen dann deutlich weniger Basalund/ oder Bolusinsulin, andere kommen sogar vollständig ohne aus.
Aber die Honeymoon-Phase endet irgendwann auch wieder – wie lange dauert sie an?
Donath: Viele glauben, dass mit Beginn der Honeymoon-Phase die Erkrankung vorbei sei. Das ist aber nicht der Fall. Es handelt sich, wie der Name schon sagt, immer nur um eine Phase. Wie lange diese dauert, ist variabel und hängt unter anderem vom Alter ab. Bei Kindern sind es meist wenige Wochen, bei älteren Menschen kann die Insulinproduktion bis zu zwei Jahre erhöht bleiben. Das Ende der Phase macht sich dadurch bemerkbar, dass wieder mehr Insulin benötigt wird, um den Blutzuckerspiegel im therapeutischen Zielbereich zu halten.
In der diabetologischen Praxis wird wenig darüber gesprochen. Warum ist das so?
Donath: Ein neudiagnostizierter Typ-1-Diabetes ist mit großen Umstellungen verbunden. Es dauert meist lang, bis der große Umfang an Informationen vermittelt und verstanden worden ist. Da die Honeymoon-Phase nicht jeden betrifft und durch die Information eventuell falsche Hoffnungen geweckt werden, ist dieses Thema in Beratungen nicht vorrangig.
Gibt es denn Möglichkeiten, die Honeymoon-Phase zu verlängern?
Donath: Das ist ein Thema, mit dem sich Forschende derzeit beschäftigen. Es werden etwa Antikörper getestet, welche das Immunsystem davon abhalten sollen, die Insulin produzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse anzugreifen. In einer kleinen Studie hat sich zudem der Wirkstoff Semaglutid, der zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt wird, bewährt. Mit diesem konnte die Honeymoon-Phase bei Testpersonen deutlich verlängert werden. Ob eine Semaglutid-Gabe tatsächlich vorteilhaft ist, wird nun in weiteren Untersuchungen geprüft.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Donath.